Dienstag, 18. September 2012

La Luna

Diese Swarovski Anhänger haben mich schon vor einiger Zeit zu dieser Geschichte inspiriert.


 La Luna war der Mond und sie hasste es, der Mond zu sein. Jeden Monat durchlief sie ein Menschenleben, ganz allein. Nur zu Neumond war es ihr vergönnt auf der Erde zu weilen. Dann wandelte sie durch die Straßen, unfähig ihre Gefühle zu bändigen. Wut und Frustration über ihr Dasein wollten sie einfach nicht loslassen. Mit dem Ziel anderen ihr Leid zu ersparen, suchte La Luna sich jeden Monat einen Obdachlosen und schenkte ihm, im Glauben ihn zu erlösen, den Tod.

So ging es eine sehr lange Zeit, wie lange war unklar, das Gefühl dafür hatte sie längst verloren. Es war eine klare Neumondnacht, in der sich alles änderte. Auf der Suche nach einem neuen Opfer kam La Luna an einem See vorbei. An diesem See saß ein Mann mit einer Gitarre. Sein Spiel war so bittersüß, dass es kaum zu ertragen war, aber La Luna stand nur wie gebannt da und beobachtete, wie seine flinken Finger die Seiten der Gitarre zum Schwingen brachte. An diesem Neumond nahm sie niemandem das Leben.

Bei ihrem nächsten Besuch auf der Erde, führte sie ihr Weg wieder zu dem See, in der Hoffnung, den Mann erneut anzutreffen und sie wurde nicht enttäuscht. Dieses Mal ging sie zu ihm hinüber und setzte sich, ein Stück von ihm entfernt, auf einen Stein. Sie fragte ihn, wie er das machte, der Gitarre so viele Gefühle zu entlocken. Er spielte unbeirrt weiter und erklärte, dass er nur versuche, seinen Gefühlen durch die Gitarre Ausdruck zu verleihen. So, meinte er, konnte er sogar aus negativen Gefühlen etwas positives erschaffen. La Luna war sprachlos, wie konnte ein einfacher Mann nur so viel mehr Weisheit besitzen als sie?

Noch zwei weitere Neumonde verbrachte sie damit, dem Mann und seiner Gitarre zu lauschen. Auch am dritten darauf folgenden Neumond zog es sie zum See und auch dieses Mal fand sie dort den Mann mit der Gitarre vor. Doch bevor sie ihn erreichen konnte, löste sich eine Gestalt aus dem Schatten hinter dem Mann, rammte ihm ein Messer in die Brust, entriss ihm die Gitarre und verschwand wieder im Dunkel. So schnell sie konnte war La Luna an seiner Seite, um festzustellen, dass er die Nacht nicht überleben würde. Aber der Mann lächelte sie an, als er sie erkannte und dankte ihr dafür, dass sie seiner Existenz einen Sinn gegeben hatte. Denn wenn er auch nur eine Person mit seiner Musik hatte bewegen können, war seine Aufgabe in dieser Welt erledigt. Dann schloss er die Augen und starb. Und La Luna weinte die ganze Nacht hindurch.

Am nächsten Morgen fand ein kleines Mädchen, das auf dem Weg zur Schule an besagtem See entlang ging (genau an der Stelle, wo La Luna den Mann mit der Gitarre betrauert hatte) zwei kleine Kristalle. Der eine hatte die Form eines Herzens und glänzte blutrot, der andere war wie eine Mondsichel geformt und schimmerte schwarz wie die Nacht.

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